Kennen Sie das? Irren ist menschlich, oder? Aber am liebsten wenn es den anderen passiert! Ich halte diese Haltung von Leadern unserer Zeit für einen der besonderen Fehler von Führungskräften. Mein Rat: „Reifen im Scheitern“.

Leichter gesagt als getan?

„Sorry, hatte ich mir anders gedacht – meine Schuld!“ Ein Satz den ich schon von meinem ersten Chef mal lernen musste Jürgen Otto, war in nicht allem gut aber er konnte selbstkritisch sein. Aber warum geht der Satz vielen Führungskräften so schwer von den Lippen?

Nun, welche Führungskraft reduziert schon gern ihr Selbstwertgefühl? Je mehr Verantwortung Sie tragen, umso mehr Mechanismen bauen Sie auch auf. Sie könnten oft sonst Ihr Pensum nicht bewältigen und Sich vor zu großen Sorgen nicht schützen. Was ich im Umgang mit vielen hochangebundenen Kräften feststelle ist, dass wenn sie erfolgreich sind, sehen sie sich selbst als Erzeuger*innen dafür – wenn etwas schiefgeht, haben am besten die Anderen Schuld.

Der Fachbegriff dafür?

Wir sprechen dabei von Hedonistische Verzerrung. Ein durchaus menschliches Verhalten aber keineswegs pathologisch. Ein Mensch der sich bei jedem Fehler für einen Versager hält, hält genau so wenig seine Arbeit durch. Allerdings geht, wenn wir uns der Lösung dazu nähern möchten kein Weg an der Veränderung dieses Verhaltens vorbei: Selbstreflexiv zu erkennen welchen Teil am Misserfolg selber beigetragen wurde.

Warum ist das gut?

Wir alle haben die Chance im Scheitern zu reifen, gerade weil vertraute, überkommene Strategien aufgebrochen werden. FEHLER, anders zusammengesetzt kann HELFER daraus gemacht werden. Nur aus Fehlern wird Entwicklung entstehen. Wenn etwas richtig läuft war die Erfolgsstrategie bekannt. Wird ein Fehler negiert, ist es so, dass die Möglichkeit der Entwicklungshilfe aus ihm heraus nicht stattfinden kann. Murphys Law: Es wird wieder so oder ähnlich eintreten. 

Meine Empfehlung ist: Fragen Sie sich und das Team wie ist es uns gelungen den Fehler zu machen. Was müssen wir als „leasson learned“ daraus ziehen? Übrigens, charismatische Leader haben hier ihr Geheimnis versteckt. Wenn man ganz ohne „Abstürze“ vom Kleinen zum Mittleren, zum größeren Erfolg schreiten will, ist es außerordentlich schwer, eine markante Persönlichkeit zu werden. Den meisten, die das anstreben, fehlt es an Substanz und innerer Sicherheit. Viele charismatische Führungskräfte sagen ein bis zwei Jahre später, dass sie ihre jetzige zufriedenstellende Situation ohne das Tief in der Vergangenheit nie erreicht hätten.

Gehen Führungs-Frauen anders mit Misserfolgen um?

Jetzt müssen Sie als Mann stark sein, oder aber selbstreflektiert. Auf die Frage: Eindeutiges JA. Frauen neigen weniger zu hedonistischer Verzerrtheit als Ihre männlichen Kollegen. Sie trauern dafür bei einem Misserfolg ausgiebiger und das motiviert sie nochmals mehr daraus zu lernen. Männer führen ihre Probleme oft nicht so eindeutig auf die eigene Person zurück. Auch ein Grund dafür, dass wir Männer weniger Weiterbildungs- oder Coachingaffin sind. Auch der Austausch den die Frauen suchen macht sie schneller Veränderungs- und Entwicklungsbereit.

Ich war’s!

Ich habe das mal eine Zeit bei uns im Unternehmen ausprobiert. Ich bin in Meetings wenn es um Blockaden oder auch Missstände ging einfach hergegangen und habe die Schuld auf mich genommen. Natürlich transparent und schmunzelnd. Sie würden nicht glauben, was für eine Dynamik das freisetzt. Sofort kann sich der Ursache und den Lösungen zugewandt werden. Probieren Sie es selber aus. Unternehmen die eine exzellente Fehlerkultur aufbauen sind zumeist sehr widerstandsfähig. Die Schuldfrage spielt hier eine nachrangige Rolle. Sinnvoller ist: „Was ist passiert?“

Wenn ein Führungsfehler sich zum Beispiel mehrfach wiederholt und auf Inkompetenz fußt, wäre es schlau, seine Fähigkeiten zu steigern oder auch einen anderen Job zu suchen. Selbstreflexion und Selbstkritik gehören zu guter Führung dazu wie das Atmen.

Gibt es denn eine Tendenz in die richtige Richtung?

Ich denke schon, aber mal krass gesagt noch längst nicht in ausreichendem Maße. Das Reden über das Scheitern hat sich geändert, etwa das Bekenntnis zur Suche nach Lösungen und nicht vor allem nach Schuldigen.

Wir sind ganz toll, stimmt’s?

Leider liegen die größten Hürden im vielverbreiteten Credo: „Wir sind immer ganz toll!“ hier liegt dann sehr schnell der Fokus in der Schuldigenfindung. Es ist oft wichtiger jemanden verantwortlich zu machen als die Entwicklungschance im Fehler umfassend zu nutzen. Ich habe viele Menschen in ihrer frühen Führungsphase erlebt. Junge Kräfte die ideale verfolgen und in ihrer Aufstiegsphase gute Konzepte für eine bessere Kultur im Umgang auch mit Fehlern hatten. Oft musste ich erleben, dass sie sich an die informellen Spielregeln im Unternehmen angepasst haben. Sie wurden mürbe (gemacht). In den Staaten sagt man „learn to fail“ – warum tut man sich hierzulande so schwer damit? Hier geht es um Fehlerkultur – das ist etwas anderes, aber nicht weniger wichtig.

Woher kommt das?

Ich habe da so eine Idee. Die mangelnde Fehlerkultur ist historisch bedingt. Preußen war ein sehr hierarchisches Staatsgebilde, das rechtsstaatlichen verwaltet und einem straff organisierten Heer „top-down“ geprägt war. In solchen Systemen bedeuten „Fehler“, dass man Vorschriften oder Befehle nicht oder falsch anwendet. Ein „learn to fail“ würde in einem solchen System unter Umständen den „Tod“ bedeuten. Sie treffen solche Fehlerverstecktendenzen auch heute noch in hierarchischen Strukturen. Beispiele finden sie bei der Polizei und Bundeswehr, in Behörden aber auch in diversen Kliniken und Krankenhäusern. Die Wirtschaft meint mit „Fehlerfreundlichkeit“ ja nicht, dass man akzeptiert, dass Mitarbeiter bewusst oder aus Inkompetenz etwas falsch machen. Vielmehr, dass man kalkulierte Risiken eingeht, um Erfolge zu erzielen, etwa bei Personal- oder Investitionsentscheidungen.

Nach Pareto ist die Chance für Erfolg vorher immer 80:20 und damit sind nachträglich 20 Prozent der Entscheidungen immer „falsch“ gewesen. Das müssen sie riskieren, wenn sie Erfolge haben wollen. Immer natürlich und notwendig ist es, als Organisation und als Einzelner mit solchen „Fehlern“ vernünftig umzugehen.

Gibt es einen gesunden Umgang mit dem Scheitern?

Dafür gibt es nie Patentrezepte. Was wichtig ist, ist das sie lernen mit dem damit verbundenen Stress positiv umzugehen. Denn wer an etwas scheitert, kann extrem unter Stress geraten. Solch starke emotionale Anspannungen führen sie bei komplexen Aufgaben zu schlechten Lösungen. Lernen sie irgendwo den Umgang mit ihrem Stresspegel (NLP| Autogenes Training | Meditation | Resilienz) Kommen Sie erst mal herunter. Bei größeren Projekten nehmen Sie sich eine kurze Auszeit, wenn es geht. Machen Sie einen Waldspaziergang. Wichtig ist sich mit der Frage zu beschäftigen: „Was will ich im Kern?“

Art Being